19. Februar 2011

Lady Macbeth von Mzensk – Sebastian Beckedorf.
Staatstheater Braunschweig.

19:30 Uhr, Parkett links, Reihe 7, Platz 197




Gänsehaut in Braunschweig. Bombenakustik. Top-Orchesterleistung. Bärenstarkes Blech. Zarteste Violinen und flehendste Celli, die zum Höchsten taugen. Dirigat etwas verhaltener als Poschner in Berlin, aber absolut erstklassig. Desgleichen die Sänger, stimmlich wie szenisch. Katerina insbesondere darstellerisch ganz stark. Nochmal zum Orchester: Die Schostakowitsch-Klangfarbenmagie kann sich voll entfalten. Ich bin verblüfft vor Begeisterung. Oder begeistert vor Verblüffung. Oder beides.

Und die Inszenierung tut ihr Übriges. Im Großen (Bühnenbild, gesamte Anlage, Chor- und Personenregie allgemein) wie im Kleinen (der weibliche Fuß, an dem (immer wieder) gezogen wird; Stroh als „Leitmotiv“; das Zerreißen des Strohs; die drehenden Stühle (einsam/gemeinsam); die Wippe; alles dreht sich; Frauen mit Zerstäubern; die Gummiseile; die Pappteller und und und. Kaum etwas, das nicht funktionierte).

Schließlich die Musik. Mit jedem weiteren Hören entdecke ich neue Kostbarkeiten der Partitur. Und es ist nicht allein das Unerbittliche, das Gewalttätige, Rohe, sondern in gleichem Maße das Zarte, Verletzliche, unglaublich Gefühlvolle, das es mit jedem „romantischen“ Bühnenwerk aufnimmt. Ein furioser Abend.


Dmitri Schostakowitsch – Lady Macbeth von Mzensk
Musikalische Leitung – Sebastian Beckedorf
Inszenierung – Konstanze Lauterbach
Bühne – Franz Koppendorfer
Kostüme – Karen Simon
Chöre – Georg Menskes
Dramaturgie – Jens Neundorff von Enzberg

Boris Ismailow – Juri Batukov
Sinowij Ismailow – Tobias Haaks
Katerina Ismailowa – Morenike Fadoyomi
Sergej – Sergey Nayda
Aksinja – Julia Rutigliano
Der Schäbige – Steffen Doberauer
Verwalter / Polizeichef / Sergeant – Orhan Yildiz
Hausknecht / Wächter – Leszek Wos
1. Vorarbeiter / Kutscher – Mike Garling
2. Vorarbeiter – Aleksandr Bukreev
3. Vorarbeiter / Betrunkener Gast – Andreas Sebastian Mulik
Mühlenarbeiter – Sebastian Matschoß
Pope / Polizist / Alter Zwangsarbeiter – Dae-Bum Lee
Sonjetka –Sarah Ferede
Zwangsarbeiterin – Hyo-Jin Shin

Staatsorchester Braunschweig
Chor und Extrachor des Staatstheaters Braunschweig
Statisterie des Staatstheaters Braunschweig
















18. Februar 2011

Aus einem Totenhaus – Wolfgang Bozic.
Staatsoper Hannover.

19:30 Uhr, Parkett links, Reihe 2, Platz 51














Einführung informativ, wenn auch etwas runtergerattert. Die Saalakustik fällt gleich positiv auf, sehr homogener und druckvoller Klang aus dem Orchestergraben, die Sänger sind (zumeist) auf der weitgehend leeren Bühne gut zu vernehmen.

Der erste Eindruck vom Orchester ist recht erschreckend: Die Streicher klingen grausig (Intonation, Zusammenspiel). Mainzer Reminiszenzen kommen auf. Glücklicherweise erfährt der Streicherklang alsbald eine deutliche Steigerung und schwingt sich – mit den von Anfang an tadellosen Bläsern – im Laufe des Abends zu einer starken Leistung auf (Oder sind diese „Fehler“ etwa bei Janacek angelegt?). Dirigat insgesamt gut bis unauffällig. Keine besonderen Gestaltungsfinessen auszumachen. Sängerriege stimmlich weitgehend angemessen – wobei es ohnehin kein Abend des Wohllautes war.

Inszenierung sehr ambitioniert. Von der Intention absolut plausibel und konsequent angelegt, die Sänger/Darsteller konnten jedoch nicht immer die erforderliche Intensität und Qualität im (szenischen) Ausdruck aufbringen. Vieles gelang eindringlich, manches geriet lächerlich, anderes platt oder belanglos. Intensiver Höhepunkt (szenisch und musikalisch) war die lange Erzählung im dritten Akt. Sensibel gesungen. Allgemeinheit des Bühnenbildes folgerichtig.

Musikalisch stellt die Oper (vielleicht) weniger Melos bereit als Jenufa, spannt jedoch einen ununterbrochen fesselnden dramatischen Bogen. Bzw. hält eine ungeheure Spannung im Episodischen. Finale 1. und 2. Akt mit harmonischen Ohrenwachrüttlern. Finale 3. Akt sehr schroff. Auf jeden Fall ins „Repertoire“ aufnehmen. Welche Einspielungen sind vorhanden? Fazit: ein durchweg intensiver Abend.


Leoš Janáček – Aus einem Totenhaus
Musikalische Leitung – Wolfgang Bozic
Inszenierung – Barrie Kosky
Bühne und Kostüme – Katrin Lea Tag
Licht – Susanne Reinhardt
Dramaturgie – Ulrich Lenz
Chor – Dan Ratiu

Alexandr Petrovič Gorjančikov – Jin-Ho Yoo
Aljeja – Janos Ocsovai
Luka Kuzmič alias Filka Morozov – Robert Künzli
Der große Sträfling – Andrej Lantsov
Der junge Sträfling – Stefan Zenkl
Der Platzmajor – Frank Schneiders
Der alte Sträfling – Edgar Schäfer
Skuratov – Ivan Turšić
Čekunov – Wolfgang Newerla
Der betrunkene Sträfling – Roland Wagenführer
Der Koch – Peter Michailov
Der Schmied – Valentin Kostov
Der Pope – Keun-Sung Yook
Čerevin – Tadeusz Galczuk
Šapkin – Jörn Eichler
Šiškov – Brian Davis
Stimme aus der Ferne – Latchezar Pravtchev
Der Adler – Theo Hapke

Niedersächsisches Staatsorchester Hannover
Chor und Extrachor der Staatsoper Hannover
Statisterie der Staatsoper Hannover



6. Februar 2011

Concertgebouworkest Amsterdam – Mariss Jansons.
Laeiszhalle Hamburg.

20:00 Uhr, Parkett links, Reihe 5, Platz 16


Gioachino Rossini – Ouvertüre zu „Die Italienerin in Algier“
Wolfgang Amadeus Mozart – Klavierkonzert c-Moll KV 491
(Leif Ove Andsness)
Zugabe: Frederic Chopin – Grande valse brillante op. 42

(Pause)


Richard Wagner – Tristan-Vorspiel und Liebestod
Richard Strauss – Rosenkavalier-Suite
Zugaben:
Wolfgang Amadeus Mozart – Ouvertüre zu „Die Hochzeit des Figaro“
Richard Wagner – Lohengrin-Vorspiel 3. Akt



Selten hat sich ein Orchester von meinem Stammplatz aus so gut angehört. Sehr fein, edel, warm, virtuos, leicht, samtig. Der „bratschige“ Streicherklang, den ich von Aufnahmen her kenne, fällt nicht so stark auf. Rossini: so wendig elegant, so transparent. Phänomenale Holzbläser (beste Piccolo aller Zeiten). Und noch einmal: Der Klang kommt außergewöhnlich gut rüber - keine Spur von der „problematischen“ Laeiszhallen-Akustik. Ist das Concertgebouw ähnlich gebaut? Schneidig federndes Dirigat perfekt.

Mozart: Andsness hat vielleicht nicht den Sokolov-Anschlag, ist aber ein Top-Mann mit zwingender Interpretation. Eventuell eine Spur zu nüchtern. Das Orchester auch hier eine Wucht, ein Fürsprecher Mozarts vor meinem widerstrebenden Geschmack. Wagner: leider verbonbonraschelt und verhustet. Vielleicht nicht meine Lieblingsinterpretation (Sogwirkung), aber tadellos gemacht. Klangfarbenüberschwang. Luxusproblem: Die samtenen Streicher lassen im Fortissimo eben jene Schärfe vermissen, die mich gewöhnlich ins Mark trifft. Vielleicht war ich heute auch einfach nicht in Stimmung. Die Liebestod-Wirkung kam dann aber doch auf Bestellung. Das Orchester (und Jansons) schaffen eine enorme Dichte, ein phänomenales Volumen. Das ist der sprichwörtliche Druck, der von bloßer Lautstärke streng zu trennen ist.

Strauss: Die Vergleiche zum Dresdner Straussorchester drängen sich auf. Warm, dunkel, nie scharf – was eben gut und schlecht sein kann. Das Blech ist immer rund und voll aber nie forsch oder schmetternd. Die Zauberatmosphäre der silbernen Rose ist in bester, intonationsreinen Studioqualität zu bewundern. Generell eine Klangfarbenorgie sondergleichen. Und immer wieder: Dampf! Die Streicher treten als dunkle Einheit auf, sehr kompakt bzw. Homogen von den tiefen Streichern ausgehend. Ocker.

Zugaben: Mozart: Hätte eine Spur spritziger sein können (Solti); Wagner: bombig. Ein Posaunenfest ganz ohne „amerikanisches“ Geschmetter (das ich ja ebenfalls schätze), dennoch druckvoll. Die Laeiszhalle erfüllt von goldenem Klang. Beeindruckend. Randnotiz zu Jansons: ich denke nicht, daß er mein Lieblingswagnerdirigent wird, aber er ist ein großer Dirigent, allemal für Strauss.

5. Februar 2011

Die Liebe der Danae – Andrew Litton.
Deutsche Oper Berlin.

19:30 Uhr, Parkett links, Reihe 1, Platz 19


Akustik ok. Orchester gut mit Steigerung zum 2. Akt (insbesondere Blech verbessert). Streicher sehr warm. Dirigat: Angesichts eines ersten Höreindrucks kann ich keine definitive Wertung abgeben, empfinde die Gestaltung aber absolut straussisch. Ein ununterbrochener Fluß sprunghafter Harmonien. Wer die erste Welle verpaßt oder abgelenkt wird, hat es schwer. Meine Konzentration war glücklicherweise in guter Verfassung, auch wenn hier (Sprechen) und da (Husten) Eintrübung drohte.

Litton versteht es, Spannungsbögen zu ziehen (beispielsweise Duett Danae/Dienerin 1. Akt; Finale 1. und 2. Akt). Die Sänger: Klink angeblich angeschlagen, macht seine Sache aber sehr gut. Ich mag die Stimme sowieso. Uhl mit gewohnt magischer (physischer) Präsenz, stimmlich insgesamt nicht so beeindruckend wie sonst – sorgt aber an einschlägigen Stellen für Ausrufezeichen (z.B. zarte Midas-Worte im 2. Akt). Ihre Stimme ist und bleibt der sinnlichste Sopran, den ich kenne – vielleicht muß ich die Oper besser kennenlernen, um ihre Leistung mehr schätzen zu können. Es bleibt Jammern auf höchstem Niveau.

Sehr interessant: Mark Delavan als Jupiter – würde auch einen guten Wotan abgeben. Profund, wie man so sagt. Chor ziemlich lärmend, etwas erschlagend. Top: Damenquartett (Europa und Co.). Optisch wie stimmlich eine Wucht (inklusive mythologischer Handtaschen). Inszenierung: Wo ist das Problem? Was soll das Harms-Bashing? Ich finde alles plausibel, sinngebend, angemessen. Keine nervige Deutung, sondern gute Illustration der Geschehnisse. Warum nicht? Sehr subtile, vielschichtige Lichtregie. Im wahrsten Sinne schöne Bilder und Kostüme.

Der dritte Akt scheint mir musikalisch der interessanteste: erst einmal eine Komödie (Merkur, die vier Damen), dann folgt das emotional dichte Finale zwischen Jupiter und Danae. Deutliche Bezüge zum Ring (Loge, Walküren, Wotan, Brünnhilde). Strauss bewegt sich hier nicht nur musikalisch in Wagners Tradition und setzt sich mit ihr auseinander. Starke Bilder der Inszenierung (Zwischenmusik: Danae zieht das Bild hervor; einzelne, beleuchtete rote Rose vor dem Blau des Hintergrunds). Die Zwischenmusik läßt sich in eine Reihe mit Strauss' stärksten Eingebungen stellen. Wiederholungsbesuch im Februar erscheint mir sinnvoll.


Richard Strauss – Die Liebe der Danae
Musikalische Leitung – Andrew Litton
Inszenierung – Kirsten Harms
Spielleitung – Günther Kittler
Bühnenbild – Bernd Damovsky
Kostüme – Dorothea Katzer
Dramaturgie – Andreas K.W. Meyer
Lichtgestaltung – Manfred Voss
Künstlerische Produktionsleitung – Christian Baier
Chöre – William Spaulding

Jupiter – Mark Delavan
Merkur – Thomas Blondelle
Pollux – Burkhard Ulrich
Danae – Manuela Uhl
Xanthe – Hulkar Sabirova
Midas – Matthias Klink
Vier Könige – Paul Kaufmann, Clemens Bieber, Nathan De'Shon Myers, Hyung-Wook Lee
Semele – Hila Fahima
Europa – Martina Welschenbach
Alkmene –Julia Benzinger
Leda – Katarina Bradic

Chor der Deutschen Oper Berlin
Orchester der Deutschen Oper Berlin
Statisterie der Deutschen Oper Berlin