20. April 2011

Liederabend – Maria Radner.
Laeiszhalle Hamburg, Kleiner Saal.

19:30 Uhr, Parkett Mitte links, Reihe 4, Platz 2


Franz Schubert – Ausgewählte Lieder: Frühlingsglaube; Lachen und Weinen; Lied eines Schiffers an die Dioskuren; Seligkeit; Gretchen am Spinnrade
Frank Bridge – „Three Songs“ für mittlere Stimme, Bratsche und Klavier
Johannes Brahms – Lieder: Liebestreu; Auf dem Kirchhofe; Wie Melodien zieht es; Sapphische Öde; Ständchen; Zwei Gesänge für eine Altstimme mit Bratsche und Klavier op. 91

(Pause)

Franz Liszt – Lieder: Lorelei; Laßt mich ruhen; Es muß ein Wunderbares sein; O Lieb’

Richard Wagner – „Wesendonk-Lieder“
Zugaben: Richard Strauss – Zueignung; Johannes Brahms – Wiegenlied op. 49/4 „Guten Abend, gut Nacht“

(Maria Radner – Sopran, Alexander Schmalcz – Klavier, Bruno Merse – Bratsche)



Fazit vorweg: Eine junge Sängerin hat sich bös verhoben. Frau Radner verfügt zwar über eine recht weiche, runde Stimme, der allerdings jede Form von Ausdruck, Tiefe und Klangfarbenvarianz fehlt. Treffende Attribute wären: flach, langweilig, undifferenziert, bodenständig, intonationsschwach, in der Höhe fahl oder einfach nur daneben, bemüht, angestrengt. Selten eine stringente Phrasierung, Bruch zum hohen Register. Kein Gehalt. Weiß sie, was sie singt? Krampfige Haltung. Die hilflose Geste der Linken (Kralle!), die Rechte schlaff oder an den Flügel geheftet. Beim Wagner offenbar reine physische Überforderung. Zweite Zugabe krumm und schief. Fazit: immerhin ein paar Stücke von Bridge kennengelernt. Merke: ohne Feuereifer kein Götterfunke.

17. April 2011

Billy Budd – Peter Hirsch.
Opernhaus Düsseldorf.

15:00 Uhr, Parkett links, Reihe 5, Platz 34















Sehr gute Einführung! Kaum Jahreszahlengeholze, dafür Input! Innenraum der Oper mit Anklängen an Lindenoper (50er Klassizismus?). Ganz nett. Akustik aber eher mittel. Das Orchester ist nicht sehr präsent, wenn nicht gerade forciert wird. Sänger aber durchweg gut zu hören. Zwei Umbesetzungen durch Ausfälle: Claggart und Budd, letzterer wird von Adrian Eröd nur stimmlich ersetzt. Claggart ist dann gleich die Entdeckung des Abends: ein Top-Charakter-Bass – Clive Bayley! Intensives Spiel! Stimme und Präsenz strahlen absolut die benötigte Autorität aus. Eröd als Budd hat zwar eine profunde, schöne Stimme, beim „Wiegenlied“ fehlt mir aber das lyrische Moment. Very als Captain eine sichere Bank. Generell die ganze Sängerriege überzeugt (als „Novice“ gibt es ein drittes Treffen mit „Erik“). Das Orchester klingt zwar, wie nach dem Foyer-Konzert erhofft, schön (zumindest weitgehend – Blech nicht immer sattelfest), aber es kommt eindeutig zu wenig rüber (Akustik mau oder Dirigat zu zaghaft?). Ich tippe auf die Akustik, da das Orchester z.B. auch bei den Steigerungen mit Chor schlecht abschneidet. Schade. Inszenierung nicht uninteressant. Modulare Stahlwände schaffen unterschiedliche Raumzusammenhänge. Insgesamt aber keine „neuen“ Bilder/Kopföffner. Trauma des Captains gut dargestellt (Zimmer/Deckenlampe). Randnotiz: Vorstellung äußerst mäßig besucht (Ränge!) Viele Labertaschen und Hardcore-Bonbonraschler.


Benjamin Britten – Billy Budd
Musikalische Leitung – Peter Hirsch
Inszenierung – Immo Karaman
Choreographie und Raumbewegung – Fabian Posca
Bühne und Kostüme – Nicola Reichert
Licht – Volker Weinhart
Chor – Gerhard Michalski
Dramaturgie – Hella Bartnig

Captain Vere – Raymond Very
Billy Budd – Lauri Vasar / Adrian Eröd
John Claggart – Clive Bayley
Mr Redburn – Markus Marquardt
Mr Flint – Ashley Holland
Lieutenant Ratcliffe – Timo Riihonen
Red Whiskers – Bruce Rankin
Donald – James Bobby
Dansker – Carlos Krause
The Novice – Corby Welch
Squeak – Florian Simson
Bosun – Daniel Djambazian
First Mate – Dmitri Vargin
Second Mate – Rolf Broman
Maintop – Dmitry Trunov
The Novice’s Friend – Laimonas Pautienius
Arthur Jones – Dmitry Lavrov
The Nurse – Victoria Wohlleber
Stimme des Kindes – Braeden Welch

Herrenchor der Deutschen Oper am Rhein
Extrachor der Deutschen Oper am Rhein
Düsseldorfer Symphoniker

Symphoniker im Foyer – Axel Kober.
Opernhaus Düsseldorf.

11:00 Uhr, freie Platzwahl

Werke von Benjamin Britten:
Les Illuminations op. 18
Nocturne op. 60

(Pause)

Canticle V: The Death of Saint Narcissus op. 89
Six Metamorphoses after Ovid op. 49
Folk Songs
Sinfonietta op. 1

(Christina Dietzsch – Sopran, Corby Welch – Tenor, Fabiana Trani – Harfe, Gisela Hellrung – Oboe)



Akustik im Foyer überraschend gut. Das kleine Orchester klingt famos. Streicher zart und intonationssicher. Horn butterweich. Oboe und Flöte zart. Harfe intensiv. Sopran und Tenor machen ihre Sache gut. „Erik“ ist vielleicht kein Erzlyriker, aber mit Ausdruck und Dampf dabei. Alle Werke mustergültig dargeboten. Und Überraschung: Kober kann Britten! Nichts zu meckern. Elan, Akzente, Bögen, alles da. Bravo. Unschlagbares Preis/Leistungsverhältnis. Schade: keine 50 Zuhörer! Düsseldorf kann offenbar mit Britten nichts anfangen (vgl. auch Billy Budd).

16. April 2011

Der Fliegende Holländer – Georg Fritzsch.
Theater Duisburg.

19:30 Uhr, Parkett links, Reihe 4, Platz 85














Schreckliche Einführung. Dame mit fieser Stimme im Zweikampf mit dem Mikrophon.

Inszenierung unfassbar „naturalistisch“. Aber dennoch mit Abweichungen zum Libretto. So gibt es z.B. kein Holländer-Bild an der Wand, sondern einen ganzen Gemälde-Fortsetzungsroman. Manches sieht cool aus (Holländer-Schiff mit roten Segeln), anderes wirkt unfreiwillig komisch (Dalands Schunkel-Schaukel-Schiff; die ganze Geisterbahn-Mechanik). Seltsam: was soll der beleuchtete Rahmen um die Bühne herum, der an bunte Jahrmarktsbeleuchtung erinnert? Insgesamt fehlt es der Inszenierung an Zündstoff/Anregungen.

Sänger: Uhl leider wieder nicht durchweg überzeugend. Dennoch gehören ihr die stärksten Momente: Ausbruch nach der Ballade! Phänomenal. Auch im Finale top. Aber häufig fehlt mir das Besondere, für das ich ihre Stimme so schätzen gelernt habe. Das himmlisch Zarte, das Erotische. Und bisweilen wirkt ihre Mimik doch arg grimassenhaft. Nun denn, stimmliche Höhepunkte sind an diesem Abend selten. Der Holländer ist gar nicht mein Fall. Ich muß immer wieder an eine Musical-Sänger denken. Kein Ausdruck, nur Volumen, kein Schmelz oder Lyrik, keine Tiefe. Wenig zerrissen/bedrohlich. Fad. Daland/Rootering nuschelt sich passabel durch den Abend. Der Name hatte für mich eigentlich mehr Glanz. Erik passabel, ohne besonderen Schmelz. Der Steuermann ist nicht schlecht. Die Akustik ziemlich gut, das Orchester weiß sie aber nur bedingt zu nutzen. Das Dirigat beginnt knackig, pendelt sich dann aber auf Stadttheater-Niveau ein. Chöre: Männer hui, Frauen pfui (krasse Fehleinsätze, heilloses Durcheinander). Aber: Duisburg hat’s gefallen. Ist ja die Hauptsache.


Richard Wagner – Der Fliegende Holländer
Musikalische Leitung – Georg Fritzsch
Inszenierung – Adolf Dresen
Regiemitarbeit – Marion Winter
Choreographische Mitarbeit – Falco Kapuste
Bühne und Kostüme – Wolf Münzer
Licht – Klaus Gärditz
Chor – Christoph Kurig
Spielleitung – Annegret Frübing

Der Holländer – Tomasz Konieczny
Daland – Jan-Hendrik Rootering
Senta – Manuela Uhl
Erik – Corby Welch
Steuermann Dalands – Norbert Ernst
Mary – Genevieve King

Chor der Deutschen Oper am Rhein
Statisterie der Deutschen Oper am Rhein
Duisburger Philharmoniker

15. April 2011

NDR Sinfonieorchester – Xian Zhang.
Kampnagel Hamburg.

20:00 Uhr, Tribüne, Reihe 18, Platz 4


Alexander Skrjabin – Le Poème de l'Extase

(Pause)

Igor Strawinsky – Le sacre du printemps (Multimediale 3D-Performance; Konzept – Klaus Obermaier)



Akustik auf Kampnagel für Orchesterklang denkbar ungeeignet. Insgesamt zu leise, keine Präsenz, kein Druck. Orchester bestätigt guten Eindruck der letzten Begegnung. Dirigat ordentlich. Problem: Klangfarben können unter diesen akustischen Bedingungen nicht angemischt werden. Der vertraute Sacre erscheint eher als Gerüst, als Gerippe ohne Fleisch. Skrjabin: enormer Aufwand dient geringem Gehalt. Langatmig, harmonisch kaum fordernd. Eine seltsam uneigene Mischung aus Debussy und Feuervogel-Strawinsky mit einer Prise Wagner. Musikalisch einfach nicht mein Fall.

Sacre 3D: Neben dem Orchester tritt eine einzelne Tänzerin auf, deren Tanz in Echtzeit in eine 3D-Landschaft gerechnet wird, die auf ihr Tun reagiert. Die Zuschauer beobachten dies mittels 3D-Brillen auf einer Leinwand über dem Orchester. Klingt interessant, gefiel mir ganz und gar nicht. Hätte lieber allein die Bewegungen der – ausdrucksstarken – Tänzerin verfolgt. Die Animationen hatten stark Testbildcharakter, Effekte aus der Kinderstube der 3D-Tricktechnik. Erinnerungen an Max Headroom, Zini oder Hans Hadulla kommen auf. Das arbeitet alles gegen die Musik, lenkt ab, stört. Der Komplexität des Gehörten wird auf der visuellen Ebene nicht in Ansätzen Rechnung getragen. Plump. Zum Ende kommt dann auch noch die sozialkritische, pseudomoderne Keule aus dem Köcher. Peinlich. Und sowas läuft dann unter „ambitioniert“. Och nö.

7. April 2011

NDR Sinfonieorchester – Paolo Carignani.
Laeiszhalle Hamburg.

19:00 Uhr, Parkett rechts, Reihe 10, Platz 6


Luciano Berio – „Rendering“ für Orchester

(Pause)

Gioachino Rossini – Stabat Mater

(Alessandra Marianelli – Sopran, Laura Polverelli – Mezzosopran, Dmitry Korchak – Tenor, Marco Vinco – Bass, NDR Chor, Chor des Dänischen Rundfunks)



Fürs Blech kein schlechter Platz/Reihe. Orchester heute insgesamt in sehr guter Form. Nichts zu beanstanden. Im Gegenteil: erfreulich schönes Blech, Streicher gewohnt gut usw. Berio/Schubert-Sinfonie: bemerkenswerter Ansatz, die Skizzen zu Gehör zu bringen. Berio-Klangflächen aus „Schubert-Floskeln“ stecken den Rahmen, die zeitliche Abfolge ab, bieten Übergänge zu vermuteten Steigerungen, Gegensätzen von Tempi … Klangvergleiche zu Mahler, Strauss, Busoni kommen auf. Keine Vollendung, sondern eine Bühne, eine Präsentation (möglicher) Schubert-Absichten. Viele Details geben der „Ausgrabung“ recht. Gedanken: Was darin ist Schubert? Was macht die „schubertische“ Instrumentation Berios mit dem Schubert-Material ? Sehr interessant!

Rossini: In einem dem Inhalt angemessenen Rahmen (Beginn und Schluß) steckt eine Opern-Mogelpackung, angefüllt mit dem Abgeschmacktesten, Seichtesten. Teilweise kaum zu ertragen. Sängerriege leider auch nicht erste Wahl. Tenor bemüht, Stimme ok, versemmelt Spitzenton. Bass unsensibel. Sopran intonationsschwach trotz schöner Stimme. Mezzo ok. Dirigat: Carignani macht seine Sache gut – insbesondere im Rossini. An ihm lag es nicht, daß das Werk ekelte.