27. September 2012

Liederabend – Jonas Kaufmann.
Laeiszhalle Hamburg.

20:00 Uhr, Parkett rechts, Reihe 9, Platz 15



Franz Liszt – Vergiftet sind meine Lieder S 289
Franz Liszt – Im Rhein, im schönen Strome S 272/1
Franz Liszt – Freudvoll und leidvoll S 280
Franz Liszt – Es war ein König in Thule S 278/2
Franz Liszt – Ihr Glocken von Marling S 328
Franz Liszt – Die drei Zigeuner S 320
Gustav Mahler – Ich atmet' einen linden Duft (Rückert-Lieder)
Gustav Mahler – Liebst du um Schönheit (Rückert-Lieder)
Gustav Mahler – Blicke mir nicht in die Lieder (Rückert-Lieder)
Gustav Mahler – Ich bin der Welt abhanden gekommen (Rückert-Lieder)
Gustav Mahler – Um Mitternacht (Rückert-Lieder)

(Pause)

Henri Duparc – L'Invitation au Voyage (Mélodies)
Henri Duparc – Phidylé
Henri Duparc – Le manoir de Rosemonde / Das Schloß von Rosemonde
Henri Duparc – Chanson triste / Trauriges Lied
Henri Duparc – La vie antérieure (Mélodies)
Richard Strauss – Schlechtes Wetter op. 69/5
Richard Strauss – Schön sind, doch kalt die Himmelssterne op. 19/3
Richard Strauss – Befreit op. 39/4
Richard Strauss – Heimliche Aufforderung op. 27/3
Richard Strauss – Morgen op. 27/4
Richard Strauss – Cäcilie op. 27/2

Zugaben:
Richard Strauss – Ach weh mir unglückhaftem Mann op. 21/4
Richard Strauss – Freundliche Vision, op. 48/1
Richard Strauss – Wie sollten wir geheim sie halten, op. 19/4
Richard Strauss – Nichts, op. 10/2
Richard Strauss – Zueignung, op. 10/1



Als Jonas Kaufmann die Worte „... und ich geh’ mit Einer, die mich lieb hat ... in den Frieden ...“ aus der zweiten von insgesamt fünf Strauss-Zugaben sang, wurde mir klar, daß man diese – und so viele weitere zuvor an diesem Abend gehörte Stellen – wohl kaum würde aus anderer Kehle jemals so berührend schön vernehmen werden. Durch einen Liederabend im Prinzregententheater vor einigen Jahren und den Münchner Lohengrin zwar vorgewarnt, trifft doch die Ausnahmequalität dieser Stimme bei jedem Hören aufs Neue ins Mark.

Das unverwechselbare, baritonale Timbre, ein Bombenorgan, gefächert von feinst zerstäubtem Schmelz bis triumphalem Stahl, mal kaum mehr als ein süßes Flüstern, dann wieder ein Glanz, der die gesamte Laeiszhalle erfüllt. Überhaupt ein Abend der extremen Kontraste. Immer wieder regelt Kaufmann die Dynamik an den Rand des Möglichen zurück, um das gebannt lauschende Publikum nach solchen Momenten innigster Spannung mit einer Entladung in strahlendster Weise vollends zu berauschen.

Bezüglich der Interpretation hat mir Strauss insgesamt etwas mehr zugesagt als die Rückert-Lieder, wobei das sehr breit angelegte „Ich bin der Welt abhanden gekommen“ in seiner kaum zu steigernden Intensität unzweifelhaft einen, wen nicht den Gipfelpunkt des Abends markierte. Gerade auch in diesem Fall stellte Helmut Deutsch wieder einmal seine kongeniale Sensibilität unter Beweis. In „Um Mitternacht“ konnte Kaufmann dann vollends seinen Heldenton ausspielen.

In der Darbietung der Duparc-Stücke zeigte sich, wie wunderbar der Sänger auch für das französische Fach geeignet ist – diese Zartheit, diese Lyrik! Aber auch die Liszt-Werke boten reiche Entfaltungsmöglichkeiten, etwa in dem entrückt entschwebenden „Die Glocken von Marling“ oder der bildhaften Beschreibung in „Die drei Zigeuner“.

An Kaufmanns Strauss-Interpretationen gefällt mir besonders die ungezwungene, selbstverständliche Realisation des humorvollen, ironischen Moments – der Mann bringt einfach auch darstellerisch alles mit, und sei es eben in diesen Miniaturen, um das Auditorium für sich zu gewinnen – ohne dafür in die Klamaukschublade greifen zu müssen, wohlgemerkt. Und wenn man dann noch einen Liederabend-Klassiker wie „Morgen“ so scheu, so zärtlich, neu vor dem verwöhnten Ohr erstanden weiß, herrschen nur noch Gewißheit, Erfüllung, Dankbarkeit.