21. Mai 2014

Münchner Philharmoniker – Zubin Mehta.
Laeiszhalle Hamburg.

19:30 Uhr, 1. Rang links, Loge 4, Reihe 1, Platz 2



Richard Strauss – Till Eulenspiegels lustige Streiche
Richard Strauss – Vier letze Lieder

(Pause)

Richard Strauss – Ein Heldenleben



Nachdem Lorin Maazel, neben dem reinen Strauss-Programm der eigentliche Grund für meinen Kartenkauf, das Konzert gesundheitsbedingt absagen mußte, erfuhren meine Erwartungen erst mal einen gehörigen Dämpfer. Zubin Mehta ist ja zweifellos ein klangvoller Name – der sich nur weder in meinem CD-Regal noch in meiner Konzertbesuchhistorie nennenswerter Relevanz erfreut. Warum auch immer. Im Gegensatz zu Kollegen wie Solti oder eben auch Maazel bin ich einfach nie über Mehta-Aufnahmen gestolpert, die ihn mir – wie die Erstgenannten – für diesen oder jenen Komponisten besonders interessant oder gar unentbehrlich gemacht hätten. Rattle für Sibelius, Karajan für Brahms, Britten für seine eigenen Werke – jeder hat bekanntlich seine Vorlieben. Aber Mehta – Fehlanzeige. Wobei ich ihn vor Jahren schon einmal live erleben durfte, mangels Einfallsreichtums des Schicksals ebenfalls mit den Münchner Philharmonikern, im Gasteig. Bezeichnenderweise habe ich keine nennenswerte Erinnerung an dieses Konzert, was im Umkehrschluß auch bedeutet, daß es sicher keine Katastrophe war. Heute also Mehta zum Zweiten.

Ich mach's mal kurz: Der Mann ist ganz sicher kein Schlechter – nur nicht unbedingt ganz der Richtige für mich. Seine Stärke liegt ganz klar in den ruhigen, sanften Momenten, die er beeindruckend auszukosten weiß, nicht jedoch im straussschen Überschwang oder gar Übermut – eine Erkenntnis, die sich vom quecksilbrigen Eulenspiegel bis ins kraftstrotzende Heldenleben durchträgt. Mehta scheint mir zu sehr ein Vertreter der Eleganz, des Ästhetischen, als daß er den Schmiss des Heldenthemas, das Groteske der Widersacher, das Dröhnen der Walstatt mit dem erforderlichen Maß an Schweiß und Dreck versehen könnte, um nicht auch die geiferndsten Holztiraden und drohendsten Blechgewitter mit Noblesse und Kultiviertheit zu konterkarieren. An den Klangfarben der Münchner lag es jedenfalls nicht. In der Romanze zwischen Held und Gefährtin und vor allem in zum dahinschmelzen fein ausgearbeiteten Schluß wußte Mehta diese auch ohne Kompromisse zu nutzen – im Dienste eines erhabenen Wohlklanges, der sich wie eine zarte, fein gewobene Decke um das betörte Herz schloss.

Auch angesichts überragender Einzelleistungen, wie der des Solohornisten oder des wuchtigen Posaunenklanges, wär aber theoretisch mehr drin gewesen. Ein weiterer erhoffter Konzerthöhepunkt, die Vier letzten Lieder, dargeboten von Frau Harteros, rauschte durch tumbe Ablenkung von schräg hinter mir leider spurlos vorüber – ein penetrant quasselndes Paar hatte sich offenbar in der Veranstaltung geirrt oder aber bewusst das heimische Sofa nebst RTL 2 Abendprogramm für zwei Plätze in der Laeiszhalle eingetauscht. Pech für mich und die anderen umsitzenden Nichtproleten, aber was will man machen? Die alte Sehnsucht nach einem unauffällig einsetzbaren Blasrohr und Curare-Pfeilen bricht sich in Momenten wie diesen wieder Bahn. Es könnte alles so einfach sein.

Nachtrag zum Konzert: Im Juli erreichte mich schließlich die Nachricht vom Tode Maazels. Neben Bestürzung trat das seltsame Gefühl, diesen großen Dirigenten also kein weiteres Mal erleben zu dürfen. So bleibt es bei fünf beeindruckenden Konzerterlebnissen in den Jahren 2005, 2008, 2009 und zweimal 2010 (beim letzten Konzert, wie es der Zufall wollte, als Einspringer für Thielemann mit eben den Münchner Philharmonikern), einer etwas unwirklichen Autogrammstunde in den Korridoren des Mitarbeitertraktes der Laeiszhalle und einer Fülle wundervoller Aufnahmen, die mir auch in Zukunft den besonderen Stellenwert dieses Ausnahmekünstlers immer wieder vor Ohren halten werden.